Reisebericht September 2017, Sebastian Ranftl

Ein authentischer Reisebericht eines jungen Studenten, der uns beim aktuellen Projekt Gesundheitsvorsorge Klinik Aboasa im Herbst 2017 in Ghana begleitete und unterstützte:

Am 13.09.2017 startete ich meine einmonatige Reise nach Ghana. Sebastian Vitz, ein Kommilitone und guter Freund begleitete mich. Motiviert für die Reise hatte mich meine Bachelorarbeit, bei der ich mich intensiv mit Solar-Home-Systemen in Ghana beschäftigte. Marianne und Lothar, meine Nachbarn und gleichzeitig Gründer des Vereins „Aktiv für Afrika e.V.“ sind so darauf gekommen, mich um Unterstützung bei Ihrem Projekt zu fragen.

Eine Solaranlage mit Batteriepufferung und ein neues Bohrloch mit Trinkwasserpumpe soll für 10.000 Menschen im rückständigen Südosten von Ghana eine medizinische Grundversorgung sicherstellen. So war es unser Ziel, dieses Projekt soweit es geht zu unterstützen, so viel Eindrücke wie möglich von dem Land und der Kultur mitzunehmen, aber auch das in der Bachelorarbeit theoretisch hinterlegte vor Ort zu prüfen und die Sinnhaftigkeit oder gar Notwendigkeit eines Solar-Home-Systems in Ghana zu hinterfragen.

Anreise und Begrüßung

Nach dem achtstündigen Flug über London sind wir voller Vorfreude in der Hauptstadt Accra eingetroffen. Vor Ort trafen wir meinen Nachbarn Lothar, der das Projekt leitete. Zwei Tage hatten wir Zeit, die Hauptstadt des westafrikanischen Landes kennenzulernen. Sie hat zwei Gesichter. Mal zeigt sie sich von ihrer hässlichsten Seite, mal von der schönsten.

Am Interessantesten war der Makola-Market. Das Besondere daran: Es gibt weder ein Schild noch ein Tor, das dir sagt, dass du da bist, du findest dich mitten im Marktgetümmel zwischen Verkäuferinnen und Käufern wieder. Es gibt hier nichts, was es nicht gibt, du kannst fast alles kaufen: von Seife und Putzmittel über Gewürze und exotische Früchte bis hin zu bunten Stoffen ist alles dabei. Hier in dem Gewusel wurden auch schon erste Besorgungen für das Projekt gemacht, da es im Landesinneren viele Dinge nicht zu kaufen gibt.

Begrüßung in NnuduMit unzähligen Koffern und Tüten im Schlepptau, traten wir die Busfahrt ins Landesinnere an. Ziel war das kleine Dorf Nnudu. Spät abends angekommen, wurden uns schon beim Aussteigen aus dem Omnibus sehr hilfsbereit gleich alle Koffer abgenommen und zu unserem Schlafplatz im Gästehaus der Gemeinde gebracht. Es folgte eine Willkommenszeremonie, in der die Dorfältesten sich vorstellten, uns begrüßten und durch ein kleines Geschenk ihre Gastfreundschaft bewiesen.

In den ersten Tagen vor Ort hatten wir uns erst einen Überblick im Dorf verschafft. Es war erstaunlich zu sehen, wie einige Familien in sehr alten Lehmhütten, umringt von Ziegen, Hühnern und Hunden auf engstem Raum leben. Viele Dorfbewohner wurden uns vorgestellt. Mein Eindruck wurde stark von der Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Kontaktfreudigkeit der Menschen geprägt. Als ‚obruni’(=Weißer) wurde ich sehr herzlich angesprochen und begrüßt. Insbesondere Kinder winkten ständig, liefen auf uns zu und umringten uns, um stolz unsere Hand zu ergreifen.

Auf ins Projekt!

Früh morgens ging es dann täglich auf die Baustelle in das nächste Dorf Aboasa, in dem das diesjährige AfA-Projekt Stärkung mit Kokosnussstattfinden sollte. Zu Beginn musste ein Haus fertiggestellt werden, auf dem die Solaranlage angebracht und in dem die nötigen Komponenten platziert werden sollen. Die Dorfbewohner übernahmen für AfA unentgeltlich die notwendigen Arbeiten, um Schritt für Schritt das Haus hochzuziehen. Von der Dorfgemeinschaft erhielten die Handwerks-Spezialisten zum Lohn lediglich ein einfaches Mittagessen und ein geringes Taschengeld. Parallel zu den Arbeiten am Gebäude gruben Helfer mühselig mit Spitzhacken und Schaufeln Trassen für Wasser- und Stromleitungen.

Rundreise durch Ghana

Nach einer Woche Arbeit begaben wir uns auf eine Tour quer durch Ghana. Als erstes ging es in den Nordosten nach Hohoe zu den Wlii Waterfalls – Ghanas höchster und beeindruckendster Wasserfall am Abhang eines hohen Bergs. Da es schon zu spät für eine Bergwanderung war, beschlossen wir mitten im Urwald mit zwei Einheimischen zu campen. Urlaubsfeeling am WasserfallEine tolle Erfahrung, abends neben dem Lagerfeuer sämtliche Tiergeräusche aus dem Dunkel zu hören! Am nächsten Tag traten wir dann die besagte Bergtour an. Über Stock und Stein ging es stundenlang sehr steil nach oben zu einem höherliegenden Wasserfall, welcher sehr beeindruckend inmitten der Felswände hinunterschießt.

Wieder im Tal angekommen, ging es über sämtliche Trotro-Fahrten nach Cape Coast. Insgesamt 500km, für die in Deutschland 5 Stunden Fahrt realistisch wären, doch unter ghanaischen Verkehrsbedingungen waren es über 10 Stunden Fahrt. Nichts desto trotz kamen wir gut in Cape Coast an. Hier kam sofort Urlaubsfeeling auf: ellenlange Sandstrände, Palmen und Bungalows direkt am Meer! Außerdem gab es viele Sehenswürdigkeiten wie das Cape Castle, einen Nationalpark und das Fußball Stadion, in dem zufälligerweise genau an diesem Tag das Finale des West-Afrika-Cups zwischen Ghana und Nigeria ausgetragen wurde. Wir waren glücklich, noch Karten ergattern zu können. Die Sicherheitsmaßnahmen ließen zwar zu wünschen übrig, aber dafür war die Stimmung typisch ghanaisch: Fangesänge, Trompeten, Trommeln, die Fans gaben alles, um ihr Land zu unterstützen – am Ende auch erfolgreich. Am nächsten Morgen zog es uns weitere 2 Stunden per TroTro an der Küste entlang Richtung Westen, nach Busua Beach. Hier verbrachten wir die restlichen 4 Tage. Wir freundeten uns schnell mit Einheimischen an, gingen jeden Tag surfen, spielten Fußball am Strand, und abends wurde zu ghanaischer Musik am Lagerfeuer gesungen.

Zurück nach Nnudu

So ging es mit neuen Erfahrungen und Gedanken an die neu gewonnen Freunde zurück nach Nnudu. Das Projekt für die Klinik und das Dorf von Aboasa war in vollem Gange. Wir konnten miterleben, wie die Solaranlage auf dem Dach montiert und mit allen Komponenten in Betrieb genommen wurde. Maurer, Eisenbieger, Zimmermann, jeder der auf seinem Gebiet etwas gelernt hatte, unterstützte das Projekt. So blieb für uns relativ wenig Arbeit hängen. Wir nutzten die Zeit und unternahmen mit unserem Nachbarn Coranteng eine Reise durch den Urwald bis hinauf auf einen Berg, um den Sonnenaufgang über der Savanne zu sehen.

Oft sind wir durch das Dorf geschlendert, um die Einwohner kennenzulernen und zu sehen, wie diese leben. Wir besuchten die Schulen im Dorf, wo sich zahlreiche Kinder um uns scharten und immer wieder „Obruni!“ kreischten. Die beiden Sebastians im ghanaischen GewandZu jeder Tageszeit sahen wir Frauen, welche mit großen Pfählen in Schüsseln stampften. Sie bereiteten das Nationalgericht „Fufu“ aus Kochbananen und Kasawa zu, einer dort von vielen Einheimischen auf kleinen Feldern, ihren „farms“ angebauten Maniok-Art. Heraus kam eine sehr gewöhnungsbedürftige, klebrige Masse, welche dann meist mit einer „soup“, einer fetten Soße, angerichtet wurde. Das macht lange satt und ist das Hauptnahrungsmittel in den armen Dörfern der Umgebung. Vom Dorfschneider in Nnudu ließen wir uns ein typisch ghanaisches Gewand schneidern. Außerdem besuchten wir öfters den 5 km entfernt gelegenen Markt, um Lebensmittel einzukaufen oder Mitbringsel und Erinnerungen für Zuhause zu kaufen.

Aller Abschied ist schwer

Doch die besten Erinnerungen kann man nicht kaufen. Ich werde immer in Erinnerung halten, wie freundlich und herzlich die Menschen zu mir waren. Eine solche Erfahrung, in einem Dorf mit einer solchen Gemeinschaft aufgenommen zu werden, kann man als normaler Tourist nicht miterleben. Traditionell wurden wir von Nana, dem Dorfhäuptling am Vorabend unserer Abreise verabschiedet. Die Zeit verging viel zu schnell, die Heimreise stand bevor. Mit vielen Erfahrungen und Erinnerungen an neue Freunde verließen wir schließlich das Dorf Nnudu in Richtung Flughafen in Accra. Eine Trotro-Panne wollte uns noch an unserer Heimreise hindern, doch vergeblich, am 13.10.17 verließen wir schließlich das fantastische Ghana.

Fazit zum Thema Sicherheit

Wir waren mit einem eher mulmigen Gefühl nach Ghana gereist. Wir hatten Bedenken in Bezug auf das komplett fremde Land, die andere Kultur, die andere Hautfarbe. Die Vorurteile und Horror-Geschichten über Kriminalität, Diebstähle und Bedrohung von Leib und Leben geisterten zunächst trotz aller Neugier und Vorfreude in unseren Hinterköpfen. Wir hatten kaum jemanden vertraut, sei es dem Taxifahrer, Hotelbesitzer und sonstigen Leuten, nach denen wir uns anfangs lieber zweimal umgedreht haben. Beim Schlendern durch das aufgewühlte Leben in Accra wurde man oft angesprochen oder sogar begleitet, auch wenn man das nicht immer wollte.

Das anfängliche Unwohlsein verschwand jedoch schnell, und es entstand Vertrauen. Ich habe mich danach stets wohl gefühlt, obwohl man als Weißer selbstverständlich sehr auffällt. Das häufige Ansprechen und Begleiten war zum Teil von Geschäftssinn motiviert, entsprang aber auch der Gastfreundschaft und Fürsorge gegenüber uns Fremden, und das vor allem in den noch ursprünglicheren Dörfern. Es gab letztendlich während unsrer gesamten Reise keinen einzigen Moment, in dem wir uns wirklich unwohl fühlten (höchstens nach zu viel fetter „soup“) oder annähernd in Gefahr sahen.

Ghanaische Mentalität

An was wir uns allerdings gewöhnen mussten, war die ghanaische Mentalität. „Die Uhren ticken hier anders“. Busabfahrtszeiten, Termine zu einer bestimmten Uhrzeit oder Fertigstelltermine werden in Ghana nicht so ernst genommen. Außerdem wird niemals einfach nur mit einem klaren „Nein!“ auf eine Frage geantwortet, sondern immer darauf geachtet, dass der Gegenüber das Gesicht wahren kann.

Viele Projekte seitens des Staats oder anderer Organisationen, wie das Setzten von Wasser-Handpumpen entlang neu gebauter Straßen, wurden nicht effektiv und langfristig orientiert umgesetzt. Sie werden wohl auch häufig durchgeführt, ohne die Dorfbewohner mit einzubeziehen. So sieht man die alten Wasser-Handpumpen nun oft defekt und die Straßen von Löchern übersäht. Niemand fühlt sich für die Instandhaltung von ungefragt und ungewollt dort hingesetzten Dinge zuständig, wenn niemand darin eingewiesen wird.

Neben den Straßen fallen einem auch etliche Grundmauern von angefangenen Häusern auf, die vom Rohbau-Status noch weit entfernt sind. Der Gedanke, sie möglichst schnell fertigzustellen, fehlt hier völlig. Man fängt an, wenn man genügend Geld für Zement und Sand übrig hat und Regenwasser zur Verfügung steht, um mit Freunden selbst Steine daraus herzustellen oder sie zu vermauern. Wenn die anfänglichen Ressourcen verbraucht sind, hört man auf und wartet unter Umständen bis zum nächsten Jahr, bis man nach einer guten Ernte überschüssigen Mais oder Kasawa verkauft hat. Von einer Bank bekommen die armen Dorfbewohner wie auch die Dörfer i.d.R. keinen Kredit, da sie keine Sicherheiten bieten können.

Hilfe zur Selbsthilfe

Ich denke, der Verein „Aktiv für Afrika e.V.“ macht das genau richtig mit dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“. Gemeinsam mit den Einheimischen werden Pläne entwickelt und umgesetzt, um die Lebenssituation der ärmeren Bevölkerung zu verbessern und ihnen ein selbstständiges Leben ohne Abhängigkeit zu ermöglichen. Dies ist der zentrale Punkt, um die Projekte langfristig erfolgreich zu machen und zu etablieren. Ich habe erlebt, dass die Dorfbewohner die Projekte schätzen, an denen sie mitgewirkt und in deren Betrieb und Instandhaltung sie praktisch eingewiesen wurde. Daher hoffe und denke ich auch, dass sie es schaffen, die von ihnen großenteils selbst gebaute Wasser- und Stromversorgung langfristig instand zu halten und zu nutzen.

Hinsichtlich unserer Bachelorarbeit konnten wir einige Umfragen im Dorf zum Strombedarf der Bewohner durchführen und allgemein erfragen, ob ein solches System gebraucht wird. Wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass kleine Solar-Home-Systeme grundsätzlich gebraucht werden. Auch der Preis wäre für viele Bewohner eine ernstzunehmende Alternative zu der qualitativ schlechten Stromversorgung aus dem öffentlichen Stromnetz, soweit dieses überhaupt die Dörfer erreicht. Als große Herausforderung ist der Vertrieb und Service gerade in den nicht vom staatlichen Versorger elektrifizierten Gegenden anzusehen.

Was bleibt?

Zurück in Deutschland haben mich viele gefragt, wie es denn in Ghana so ist. Mir fiel es schwer, diese Frage in nur wenigen Sätzen zu beantworten:

Es ist anders! Natürlich ist es eine komplett andere Kultur, anderes Essen, anderes Klima. Doch was mir viel interessanter erscheint, das sind die Menschen und wie sie trotz ihrer Armut und einfachen Lebensgrundlagen miteinander umgehen – vor allem in den Dörfern. Diese einmonatige Erfahrung hat mich stark beeinflusst und auch langfristig gesehen etwas verändert und geprägt. Viele Dinge, die mir zuvor selbstverständlich erschienen, wie z.B. Einkaufsläden oder warmes Wasser, lernte ich nun ganz anders zu schätzen. Ich bin froh, ein solches Abenteuer gemacht zu haben, und möchte hiermit besonders Marianne und Lothar Ortmann sowie dem Verein Aktiv für Afrika e.V. für diese ungewöhnliche Möglichkeit danken.



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